Vittoria Borsò
Moderne der Jahrhundertwende(n)
Internationaler Kongress an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 1998

Philosophie, Ästhetik, Literatur der Moderne(n)
portrait

Reinhold Görling

Trauma und Übertragung
(Benjamin, Lévinas, Bhaba)

Vielleicht sollte und muß man im Rückblick auf das zuendegehende von dem traumatischen Jahrhundert sprechen, dem der Weltkriege, Genozide und Massenmigrationen. Die psychologische Theorie des Traumas jedenfalls weist eine gut hundertjährige Geschichte auf, in der sie, beginnend mit dem Einbruch der Technik in die Lebenswelt, die Bedingungen und Folgen von Gewaltverhältnissen reflektiert. Das Trauma als ein Erleben, das das Subjekt trifft, ohne daß es schon oder noch "Herr" in seinem Hause ist, weil es lebensgeschichtlich zu früh oder weil es zu plötzlich oder zu gewaltförmig davon betroffen ist, wird aber zugleich zur Figur eines Begriffes der Erfahrung der Alterität, der Verantwortung und der Fiktionalität. (Die Vorgängigkeit des Anderen ist eine Wunde, die uns verwundbar macht, sie verpflichtet uns und bindet uns in die Geschichte.)

Drei Theorien erarbeiten diese Ambivalenz, und sie erarbeiten sie jeweils in der Konfrontation mit einer historischen Erfahrung, die eben diese hundertjährige Spanne umfaßt: Walter Benjamins Theorie der Moderne und der Übersetzung, die er an Charles Baudelaire entwickelt; Emmanuel Levinas' Theorie der Alterität, in der sich, wie sich auch in seiner Lektüre Paul Celans zeigt, die Shoah eingeschrieben hat; und Homi Bhabhas Theorie der Hybridität, die - aus dem Zwischenraum des Postkolonialen heraus geschrieben - eines ihrer wichtigsten Beispiele in Toni Morrisons Texten findet.

Verbunden sind diese Theorien nicht nur in dem, was sie im Trauma als Obsession durch den Anderen fassen, sie sind es auch in dem, was die Psychonalyse Übertragung nennt: "das reale Ereignis" (Pontalis) der Übertragung des Fremden in uns hinein, die nichtreversible Gabe seiner Gegenwart, die Unheimlichkeit des Sagens.

Der Vortrag - Video

Fragen und Antworten - Audio

Félix Duque

Rudolf Heinz

Jochen Mecke

Volker Roloff

Gabriele Schwab

Bernhard Waldenfels

Fotografien

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Ausgewählte Daten bis 1998

Biographische Daten

Reinhold Görling studierte in Hannover. Studium und Forschung führten ihn u.a. nach Spanien und Mexiko. Er ist Privatdozent für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Oberassistent am Seminar für deutsche Literatur und Sprache der Universität Hannover.

Ausgewählte Veröffentlichungen

"Das Geschlecht der Gespenster - Literarische Inszenierungen einer ambivalenten Gegen- wärtigkeit", in: Compar(a)ison. An International Journal of Comparative Literature, 2, (1996) 175-190;
"José Lezama Lima (1910-1976)", in: Frauenliebe - Männerliebe. Eine lesbisch-schwule Literaturgeschichte in Porträts, hg. v. Alexandra Busch und Dirck Linck, Stuttgart (1997) S. 242-247;
"Zirkulationen - Kleiner Prospekt einer interkulturellen Literaturwissenschaft", in: Ist die Germanistik zeitgenössisch? Vorträge eines deutsch-polnischen Symposiums, hg. v. Hubertus Fischer, Frankfurt/M (1998) S. 69-87;
"Rahmen - Zeuge - Körper: das Feld der performance", in: Wechselspiel: Körper-TheaterErfahrung, hg. v. Florian Vaßen, Gerd Koch, Gabriela Naumann, Frankfurt/M. (1998) S. 50-62;
"Trauma and Remembrance: The Body as Rhetorical Figure", in: The Poetics of Memory, hg. von Thomas Wägenbaur, Tübingen (1998) S. 305-312;
Heterotopia. Lektüren einer interkulturellen Literaturwissenschaft (1997).

Gegenwärtige Arbeitsschwerpunkte

Interkulturelle Literaturwissenschaft, Literaturtheorie, Psychoanalyse, Kulturanthropologie, Trauma und Erzählung im 20. Jahrhundert, Spanische und lateinamerikanische Literatur der Gegenwart.